Gemeindebrief Herbst 2016

Titelseite UnterwegsLiebe Leserin, lieber Leser,

der Islam ist in aller Munde. Ganz egal, wohin man geht, überall kann man Wortfetzen und Meinungen über „den“ Islam aufschnappen: im Biergarten, am See, beim Einkaufen, in der Arbeit...
Die schrecklichen Vorfälle der jüngsten Zeit wie in Nizza und nun auch in Würzburg und
Ansbach haben diesen Prozess beschleunigt. Menschen, die meinten im Namen ihrer Religion zu handeln, haben Unbeteiligte zu Opfern gemacht. Das Leid ist groß, ebenso das Entsetzen und auch die Angst. Nun besteht die große Gefahr, dass das Klima auch in unserem Land dadurch nachhaltig vergiftet wwerden könnte. Ein Drittel der Opfer in Nizza beispielsweise waren Moslems, doch die aufgewühlte Menge ließ viele der Angehörigen nicht einmal trauern. Sie wurden angeschrien und nicht zur Unglücks- stelle durchgelassen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass so etwas auch bei uns geschehen könnte. Und das wäre katastrophal.

Jahrzehnte eines behutsam geführten Dialogs zwischen Christentum und Islam liegen hinter uns. Es hat gedauert, bis sich die Religionen
angenähert haben. Zuviel schien trennend zu sein, zu fremd die jeweils andere Religion. Solche Fremdheitserfahrungen lassen sich nicht wegleugnen, sie gehören zu einem aufrichtig geführten Gespräch. Und doch haben wir gelernt, auch auf das Verbindende zu blicken: dazu gehört beispielsweise der Glaube an den einen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde; aber auch das Bewusstsein um das Geschenk des Lebens und die Verantwortung, die wir in unserer Welt haben, um wirklich friedvoll zu wirken. Im gut besuchten Vortragsabend von Frau Yerli in Gilching, siehe (S. 11) haben die Zuhörenden erfahren dürfen, wieviel verbindende und versöhnliche Kraft im Islam enthalten ist. So ein Abend tut gerade in so aufgewühlten Zeiten, in denen sich viele von vorschnell geäußerten Meinungen leiten lassen, gut – denn trotz aller Fremdheit bleibt doch die Erfahrung, dass sich Menschen über Vorurteile hinweg treffen und begegnen können. So liegt die große Aufgabe vor uns, in diesem Dialog nicht zu verharren, sondern ihn weiterzuführen: um eigene vorgefasste Meinungen zu hinterfragen, um der plumpen Verurteilung einer ganzen Religion etwas entgegenzusetzen, um als Christen gemeinsam mit anderen Religionen an einem friedlicheren Antlitz dieser Welt zu arbeiten.

Pfarrerin Dorothea Bezzel

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