Prüft alles und behaltet das Gute!

Die Jahreslosung 2025 (1. Thessalonicher 5,21) klingt für mich dieses mal ganz besonders nach einem Jahresvorsatz. Der Aufruf alles zu prüfen kann so gehört werden, dass wirklich alles im Leben auf den Prüfstand gestellt werden soll, man allen unnötigen Ballast zurück lässt und nur noch das Gute behält und weiterführt. Was somit ganz schnell als Aufruf zur Selbstoptimierung missverstanden werden kann, ist in seinem ursprünglichen Sinn aber ganz anders gemeint.

Die Worte der Jahreslosung entstammen einem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Thessaloniki. Er schreibt im Plural und meint also nicht einen Einzelnen, sondern eine Gemeinschaft. Er möchte der vielfältigen und zum Teil zerstrittenen Gemeinde mit seinen Worten helfen, sich nicht zu spalten oder aufzulösen, sondern das Gute, das Verbindende zu suchen und zu finden. Das spricht mich auch heute an: in einer Zeit und in einer Gesellschaft, in der wir häufig davon sprechen gespalten zu sein und einige meinen von der Vielfalt der Lebensmodelle überfordert zu sein.

Paulus wünscht sich eine offene Gemeinde, die die Verständigung sucht. Er appelliert in seinem Text, tolerant zu sein. Aus dem Vers „Prüft alles und behaltet das Gute“ spricht für mich eine große Gelassenheit. Es geht nicht darum schnell zu entscheiden und auszusortieren. Paulus ermutigt uns vielmehr uns Zeit zu lassen. Prüfen im Sinne von intensiv und wertschätzend wahrnehmen, was wir sehen, hören oder fühlen. Die Vielfalt erkennen und dann überlegen, was wir behalten wollen – und was wir auch nicht möchten.

Zugleich macht Paulus auch die Grenzen spürbar. Es geht ihm nicht um Beliebigkeit. Er sagt nicht: alles ist möglich oder alles ist gleich gültig. Sondern er appelliert an die Menschen, auf die Welt achtzugeben. Sie genau zu betrachten in ihrer Vielseitigkeit, um sich eine Meinung zu bilden und zu orientieren. Und dann Entscheidungen zu treffen.

„Prüft alles und behaltet das Gute“ – das klingt doch wirklich nach einem guten Vorsatz für unser Miteinander im nächsten Jahr: in unserer Familie und mit unseren Freunden, in unserer Gesellschaft und auch in unserer Kirchengemeinde.

Möge Gott uns immer wieder den Mut zur wertschätzenden Prüfung und den Geist für weit reichende Entscheidungen geben.
Amen.

Herzlichst,
Ihr Pfarrer Constantin Greim